Porträt Juliette Gréco.


Mercy Juliette!

Durch die schreckliche Pandemie und die noch schrecklichere Berichterstattung darüber, ist ein anderes trauriges Ereignis fast unbeachtet geblieben:

Am 23. September 2020 ist die wunderbare Chansonsängerin und Schauspielerin Juliette Gréco im Alter von 93 Jahren gestorben. ARTE hat 2 Filme über sie in der Mediathek:

 

Ihre Lieder haben mich und viele andere ein Leben lang begleitet: «La vie en rose», «Le temps des cerises», «Mon fils chante!».

Juliette engagierte sich in der Resistance, sie war das Idol der Existenzialisten um Sartre und Camus in den 50er Jahren. Lange Zeit war sie Mitglied der PCF.

Überall. wo Ungerechtigkeit und Unterdrückung herrschte, erhob sie ihre wunderbare Stimme.

Mit «Le temps des cerises» (die Zeit der Kirschen) setzte sie der Pariser Commune ein unvergessliches Denkmal. (Die Pariser Commune 1871, der erste ernsthafte sozialistische Versuch feiert nächstes Jahr im März 150sten Geburtstag).

Mit dem Lied «Mon fils chante!» protestierte «die Gréco» gegen den mit Hilfe der USA an die Macht gelangten Faschismus der Generäle in Griechenland 1967 - 1974, die Verhaftung von Melina Mercouri, Mikis Theodorakis und Tausender anderer, die für Freiheit und Kultur auf die Straße gegangen waren. (siehe den Film «Z»).

Auf dem Fête de L'Humanité durfte ich Juliette vor 20 Jahren live erleben.

Übrigens: Melina Mercouri («Elefteria athanatos») war nach der Befreiung Griechenlands Kulturministerin ihres Landes.

Die jährliche Ernennung von 2 (jetzt 3) europäischen Kulturhauptstädten geht auf ihren Vorschlag zurück. Im Jahr 2025 gehört Chemnitz (Karl-Marx-Stadt) zu den europäischen Kulturhauptstädten. 2 Jahre habe ich dort (am «Nischl») in der Frühzeit des PC als EDV-Trainer gearbeitet.

Ja, den dicken Kopf, den bräuchten wir heute wieder.

Und wenn ihr die seltene Gelegenheit habt, ein Konzert von Lydie Auvray (Christel Priemer produzierte einen sehr schönen Film über sie, 2010 hatte Lydie für die FriedensradfahrerInnen auf der Domplatte ein Konzert gegeben), Maria Farandouri, Hannes Wader, Reinhard Mey, Konstantin Wecker, Joan Baez, Alla Pugatchëwa, Udo Lindenberg, Bernd Köhler («Schlauch»), «Klaus, der Geiger» oder der Sands Family zu besuchen, dann fahrt hin, nutzt die Gelegenheit, wenn ihr sie habt, egal, was es kostet! Eure Enkel werden davon in 50 Jahren noch erzählen, so wie wir heute über Egon Erwin Kisch, Kurt Tucholsky, Bert Brecht, Lotte Lenya, Ernst Busch und andere erzählen.

Schon so viele haben uns verlassen: Victor Jara wurde von den Faschisten umgebracht, Fasia, die uns singend auf den Ostermärschen voranging, ist nicht mehr, Pete Seeger, Mercedes Sosa, Franz-Josef Degenhardt, Dietrich Kittner, Shirly Heart, Colin Wilkie, Tamara Danz machten aus der Friedensbewegung ein Fest und sind unvergessen.

Peter Balnis aus dem Saarland hat uns viel zu früh verlassen. Immerhin seine Singegruppe «Liedstöckel» gibt es wieder. Er hatte ein Partnerprojekt seiner Schule mit einer Schule in Tscherkessk im Kaukasus angestoßen und realisiert. Davon brauchen wir mehr, um die antirussischen Kampagnen zu kontern.

Und Amei Scheibs «Saarbrücker gemischter Damenchor» ist wie viele andere auf unserer Friedens-CD.

»Schenk uns ein Lied», hatten wir den SängerInnen geschrieben. Und sie taten es. Die Friedens-CD half und hilft uns, die Friedensradfahrten zu finanzieren. Was wäre die Friedensbewegung ohne sie alle gewesen!

Romina Tobar und Daniel Osorio (»Musikandes») aus Chile spielten für uns auf dem Qai de Londres in Verdun und in der Sporthalle In Belleville.

Sonja Gottlieb, die auf der Roland-Vogt-Preisverleihung vor 2 Monaten wunderschön und politisch motivierend gesungen hat, sowie Lee Bach aus der Eifel,. engagierte Mitkämpferin von Elke Koller in Büchel und Blue Flower aus Köln, ja auch Katja Ebstein, Gerhard Schöne. gehören in diese Reihe.

Helmut Däukers «Mojo work» Jazz Band war immer ein Höhepunkt in der «Schreinergasse links» auf dem Saarbrücker Altstadtfest. 40 Jahre ist das jetzt her!

Nicole aus dem Saarland, die 1982 den «Grand Prix d'Eurovision de la Chanson» gewonnen hatte, hat die Schirmherrschaft für die «Friedensradfahrt Paris - .Moskau - Hiroshima/Nagasaki 2020» übernommen. Die Tour musste halt wie so vieles andere verschoben werden.

1983 sang Harry Belafonte «Peace on earth» im Bochumer Ruhrstadion vor Zigtausenden. Günter Amendt («Sexfront») war mit Belafonte befreundet und übersetzte dessen wunderbare Rede. (hier nachzuhören).

David Rovics gehört auch zu diesen Barden, die uns bis heute den Rücken (und den Kopf!) stärken im Kampf für den Frieden und eine gerechte Welt. (Von wegen antiamerikanisch! Wer sowas sagt, kennt sich nicht aus.)

Reiner Braun, damals Mitorganisator in Bochum, ist immer noch aktiv und bringt gemeinsam mit uns jedes Jahr 5000 Leute und viele KünstlerInnen nach Ramstein vor die Air Base. Solange, bis dieser Wahnsinn endlich beendet wird. Prinz Chaos II, … und viele andere verwandeln die «Alte Reichsautobahn» jedes Jahr in eine Friedensfestival-Meile.

Bestimmt habe ich ein paar ganz wichtige .musikalische Urgesteine vergessen:

»Süwie» zum Beispiel (Dieter Süverkrüp), Floh de Cologne, BAP, Dieter Dehm wirbelt auch noch rum, nicht nur im Bundestag, auch vor der Ramstein Air Base. Er schrieb nicht nur «1000 mal berührt …», sondern «Das weiche Wasser», «Was wollen wir trinken» und viele friedensbewegte Gassenhauer mehr. Frederick Vahle (»immer soll die Sonne scheinen») half beim Vermitteln unserer Inhalte und friedlichen Zukunftsvisionen nicht nur an die Kinder.

Francesca Solleville, inzwischen 88 (»on s'ra jamais vieille», «Complainte pour Angela Davis»), wird die großartige Juliette nicht ersetzen können, aber wir sind froh, dass sie noch bei uns ist.

Esther Bejarano tritt mit ihren 92 Jahren noch regelmäßig auf, oft gemeinsam mit Konstantin Wecker. Die Musik rettete ihr im Konzentrationslager in Auschwitz das Leben.

Violetta Parra erinnerte uns an die unglaubliche Bewegung der Unidad Popular in Chile, an Victor Jara, an Quilapayun und Salvador Allende. Zupfgeigenhansel haben ein Lied zu Ehren Victor Jaras gesungen.

Ihnen allen bin ich unendlich dankbar. Das Leben ist schön!

Aber wir brauchen Frieden, damit wir die drängenden Weltprobleme lösen können. Gebt uns eine Chance: 80% der Weltbevölkerung wollen Frieden! Wir sind die Mehrheit!

2021 sind Wahlen, im März in Rheinland-Pfalz, im September im Bund.
Werdet bei den KandidatInnen vorstellig! Nervt sie! 

Organisiert Friedenskonzerte! Singt «We shall overcome»!

Wir wollen Kultur. Musik, Gesang, Tanz und kein Geknatter der MGs.

Lasst nicht zu, dass die LINKE in der Friedensfrage einknickt!

Nie wieder Krieg - Nie wieder Faschismus - Frieden schaffen ohne Waffen.

Mercy Juliette!


Und noch ein paar persönliche Worte:

Bei wie vielen Konzerten habe ich Hasso Müller-Kittnau in Saarbrücken geholfen, Konzerte zu organisieren. Er war, wie ich, Kommunist und Sands Family-Fan. Das passte. (Nur seine Leidenschaft für Richard Wagner teilte ich nie). Er war mein Lehrmeister in Sachen Konzert- und Festivalorganisation.

Im Buchladen «Lenchen Demuth» (die Namensgeberin war die Haushälterin von Karl Marx gewesen), im Kreiskulturhaus am Schlossplatz, 5-mal in der Schreinergasse links» auf dem Altstadtfest Saarbrücken, beim «Völklinger Festival gegen Jugendarbeitslosigkeit 1978», auf den Pressefesten der UZ/DKP in Düsseldorf und Dortmund (1974 und 1976 kamen da hunderttausende hin!), auf den Festivals der Jugend: Da überall ging ich in die Lehre.

Wenn jemand fehlte, saß ich gerne auch mal am Mischpult, lötete, baute um, schleppte die schweren Boxen und Kabel und fotografierte die Musiker.

Mann, was für ein reiches Kulturleben hatte ich!

Maria Farandouri, die die ganzen Sachen von Mikis Theodorakis gesungen hat (»Canto general») habe ich mal einen ganzen Tag begleitet und vielleicht 10 Mittelformatfilme auf meiner Pentacon-six belichtet. Im Februar hat sie nochmal ein großes Konzert in Mannheim gegeben. Ich wollte eigentlich hingehen, aber die Krankheit ließ mich nicht.

Mein Plattenregal und mein Foto-Archiv legen Zeugnis ab von diesem Leben auf Achse und mit der Kultur.

Danke Juleitte, danke Ann. Tommy, Colum und Ben, Sonja Gottlieb. danke Hasso und all die anderen für dieses wunderbare Leben.

Text: Konni Schmidt
Foto: Von Ron Kroon / Anefo - Nationaal Archief, CC0

 Friedens-CD: Künstlerinnen und Künstler für den Frieden


 

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