Kinder mit Pace-Fahne
In Belarus und in Russland Friedensradfahrer freundlich begrüßt
Bericht von der Europäischen Friedensradfahrt 2006

von Andreas Naumann

Es war eine Radtour für den Frieden, zu der sich am französischen Nationalfeiertag diesen Jahres einige der im Verlauf der Fahrt rund 40 Frauen und Männer aus fünf Ländern aufgemacht haben, um gemeinsam bis zum Weltfriedenstag in sechs Staaten den Gedanken der Völkerverständigung und einer friedlichen Welt zu verbreiten.

Ich war einer der Teilnehmer, der Friedensfahrt, für die Oskar Lafontaine (Linksfraktionsvorsitzender im Bundestag) und Tobias Pflüger (Mitglied der PDS-Delegation im EU-Parlament) die Schirmherrschaft übernommen hatten. Die Strecke führt von Paris über Brüssel, Essen, Kassel, Leipzig, Dresden, Łódź, Warschau, Brest, Minsk, Smolensk und Gagarin nach Moskau. Die Teilnehmer waren Beamte, Angestellte, Abenteurer, Doktoranten, Lehrer, Rentner, Selbstständige, Manager, Studenten und Schüler.

Es gab im ersten Teil, bis Dresden kleinere Demonstrationen, wie die in Ramstein, vor allem aber bergige Abschnitte. In Dresden, Kamenz und Bautzen wurden wir von den jeweiligen Verbänden der Linkspartei begrüßt, beköstigt und gewürdigt. Dafür und für die Unterstützung unser Botschaft sei diesen drei Ortsverbänden im Namen der Fahrradgemeinschaft Bikeforpeace an dieser Stelle sehr gedankt.

Der polnische Abschnitt war vor allem durch wenig Berge, viel Landschaft, interessanten Städten, wie Łódź gekennzeichnet, aber auch dadurch das weder an unserer Botschaft noch von unserer großen, illustren Fahrradgruppe jemand Notiz nahm, auch nicht als wir am Denkmal im ehemaligen jüdischen Getto in Warszawa Blumen niederlegten. Die Anpassung an die westliche Lebensweise ist in vollen Gange und bestimmt das Leben in den Städten und auch schon auf den Dörfern.

Das änderte sich, nachdem wir die Grenze nach Belorußland passiert hatten schlagartig. In Brest wartete eine große Menschenmenge auf uns, junge Frauen in Trachten begrüßten uns mit Brot und Salz und der Oberbürgermeister lies uns mit Polizeieskorte ins Rathaus zum Empfang geleiten. Das Fernsehen berichtete live von uns. Die zwei Tage Erholung verbrachten wir mit unseren Gastfamilien. Ich war mit zwei anderen Teilnehmern bei unserer Gastfamilie Nina und Julia in einer sehr schön eingerichteten Neubauwohnung, viel essen, trinken, singen und großer Herzlichkeit. Sie schliefen bei ihren Nachbarn, damit wir in ihrer Wohnung übernachten konnten. Ab jetzt erlebten wir täglich, daß sich die Menschen in den Dörfern und Städten an die Straßen begaben und uns zujubelten.

An sowjetischen Ehrenmählern legten wir Blumen nieder, sangen mit den Einheimischen „We shall overcome“ und „Katjuscha“ und wurden fast jeden Tag drei mal zu Empfängen eingeladen, weil sich Bürgermeister und Vereine für uns und unser Anliegen interessierten. Wir brachten in ein liebevoll eingerichtetes Wohnhaus für Kinder, die immer noch durch den Tschernobylstörfall an Krebs erkrankt sind Spielzeug, besuchte auf Einladung Fabriken, Kloster, Schulen und Sportvereine.

In Russland wies der Metropolit von Smolensk, der sich auf einer Dienstreise befand, seinem Fahrer an, umzukehren um uns kennen zu lernen. Wir hatten ein sehr interessantes Gespräch mit ihm; das Essen war auch metropolitisch. Wo wir hinkamen wurden wir mit großem Interesse und äußerst herzlich aufgenommen. In der Stadt Gagarin besuchten wir das Geburtshaus des ersten Kosmonauten der Erde. Bei Moskau hatten wir dann eine Einladung bei den Veteranen, die zum großen Teil in ihren Uniformen aus dem großen Vaterländischen Krieg, mit all den vielen Orden erschienen waren, uns Arbeiterlieder vorsangen und Gastgeschenke übergaben. Unser Leiter bekam einen Orden. Sie leben noch in der Sowjetunion, doch trotzdem, es waren sehr anregende Gespräche mit ihnen. In der Millionenstadt Moskau ging wir und unser Anliegen im zehnspurigen, zugestauten Autoverkehr, den westlichen Werbeplakaten und der Hektik, die der von London oder Paris entspricht, unter.

Es war eine Extremtour, die an sehr vielen Tagen bei Regen stattfand, zu vielen neuen Freundschaften geführt hat und durch die wir unsere östlichen Nachbarländer aus einer ganz anderen Sicht kennengelernt haben, als sie uns in den Medien vermittelt wird. Unsere Botschaft ist angekommen und hat Resonanz gefunden. Ich habe die Anstrengungen nicht bereut, im Gegenteil. Die nächste Fahrt soll von Coventry nach Moskau gehen.

Quelle: SO! Die Zeitung der Linken in Sachsen
Linke Zeitung mit Beiträgen aus Politik, Wirtschaft, Kultur.
Parteiisch, politisch, unbequem.


Wer liest hier gerade?

Aktuell sind 104 Gäste und keine Mitglieder online

Redaktion

 
 

Cookies