Günter Peter: Tagebuch
Günter Peter fuhr von Paris bis Moskau mit
Freitag, 17.07.
Nach dem rührenden Abschied von meinen Kollegen in Hammelburg starteten wir bei Regen in Richtung Viernau. Unterwegs feierten wir mit zwei Flaschen Sekt und Plätzchen im Kurpark in Bad Kissingen die ersten 1000 km. Gleichzeitig hatten die Friedensradfahrer erstmals seit Bestehen innerhalb von zwei Tagen 270 km gefahren. In Viernau wurden wir vom Bürgermeister mit Thüringer Bratwürsten und Bier herzlich empfangen. Auch Kaffee und Kuchen fehlte nicht.
Samstag, 18.07.Von Viernau geht es in Richtung Oberhof. Steiler Anstieg über 20 km Bergfahrt, teilweise bei Regen und Kälte. In Erfurt erwartet uns ein überwältigender Empfang von der dortigen Diakonie.
Mit Lautsprechern und Fernsehteam werden wir schon im Stadtgebiet empfangen und zum Caritas-Zentrum geleitet. Dort war ein roter Teppich ausgelegt und wir mussten vor laufenden Kameras über den roten Teppich in den Hof des Zentrums einfahren. Dort wurden wir vom Ersten Bürgermeister der Stadt und dem Dompfarrer und vielen Schaulustigen empfangen. Gemeinsam sangen wir das Kirchenlied "Lobet den Herren" und wurden dann vom Dompfarrer für den weiteren Weg nach Moskau gesegnet. Nach bester Verköstigung fuhren wir weiter nach Weimar.
Sonntag, 19.07.
Ruhetag in Weimar mit Stadtführung und Waschtag.
Montag, 20.07.
Unsere Fahrt führt teilweise im Regen nach Bad Sulza. Dort besuchen wir die Toscana-Therme, die wir mit Erlaubnis der Geschäftsführerin mehrere Stunden benutzen dürfen. Ein Erholungstag der besonderen Art. In Bad Orb wird derzeit ebenfalls eine Toscana-Therme gebaut. Gegen Abend erreichen wir unser Nachtquartier in Auerstedt. In der Turnhalle gibt es nur ein funktionierendes Waschbecken, keine Duschen. Vom Bürgermeister werden wir empfangen. Die Jugendfeuerwehr grillt für uns jede Menge Thüringer Bratwürste. Anschließend wird für uns in der dortigen Kirche vom Organist ein Bachkonzert gegeben.
Dienstag, 21.07.
Weiterfahrt nach Leipzig. In Lützen fahren wir an dem Ort bzw. Denkmal vorbei, an dem der schwedische König Gustav-Adolf in einer Schlacht gefallen ist. Das Gelände dort ist noch heute im Besitz Schwedens. Wir übernachten in einer Schule in Panitzsch bei Leipzig.
Mittwoch, 22.07.
In strömendem Regen fahren wir los in Richtung Stadtmitte Leipzig. Am Rathaus werden wir von der Fraktion der Grünen und Fahrradfreunden empfangen. Ein Mitfahrer kauft noch in Leipzig für einen jungen Russen ein Fahrrad, weil seines nur noch teilweise funktionierte. Dann fahren wir in Richtung Dessau weiter. Unterwegs immer wieder Regen. Unser Nachtquartier ist diesmal die Sporthalle der Friedensschule in Dessau. Gegen 21.00 Uhr taucht eine Polizeistreife mit zwei jungen Russen von uns auf. Die beiden Brüder waren mit ihren Rädern nochmals ins Zentrum von Dessau gefahren. Dort wurden ihnen beide unverschlossenen Räder gestohlen. Eines davon war das erst am Vormittag in Leipzig gekaufte. Am anderen Rad waren ebenfalls am Vormittag zwei neue Reifen und ein Gepäckträger montiert worden. Am nächsten Morgen werden den beiden Brüdern von einem deutschen Mitfahrer wieder zwei Räder gekauft. Um die Kosten des Spenders zu senken, sammle ich bei den Mitfahrern Spenden ein. Die Kollekte bringt 241 Euro.
Donnerstag, 23.07.
09.15 Uhr. Endlich können wir mal bei Sonnenschein losfahren. Heute geht es nach Potsdam. Wir sind noch 24 Radfahrer. 14 davon sind schon seit Paris dabei. In Potsdam kommen wir um 19.45 Uhr an. Unser Quartier ist eine Sporthalle in einer ehemaligen Kaserne, die u.a. als Schule umgebaut wurde.
Freitag, 24.07.
Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin. Am Ortsrand von Berlin werden wir von Berliner Fahrradfreunden empfangen und durch Berlin gelotst. Wir fahren über die weltbekannte Glienicker Brücke, auf der während des kalten Krieges zu DDR-Zeiten Agenten, Dissidenten und andere unliebsame Menschen ausgetauscht wurden. Um 20.05 Uhr fahren wir am Reichstagsgebäude vorbei. Am Brandenburger Tor ist zu der Zeit der Bühnenaufbau für das morgige Friedensfestival im Gange. Um 21.00Uhr erreichen wir unser Nachtquartier in der Wallstraße, Berlin-Mitte.
Samstag, 25.07.
Ruhetag in Berlin.
Es regnet in aller Frühe. Wir fahren zum Brandenburger Tor, um dort einen Info-Stand für Bike for Peace aufzubauen. Um 13.30 Uhr fahren wir auf der Straße des 17. Juni geschlossen vor die Bühne und werden dort von den Besuchern des UN-Friedensfestivals begeistert empfangen. Nina Hagen tritt dort auf und würdigt unseren Einsatz für den Frieden. Auch Kamerateams waren vor Ort. In Berlin ist Sabine wieder zu uns gestoßen. Sie wollte mit einem Tandem weiter bis Moskau fahren, wenn immer einer der anderen Teilnehmer abwechselnd mit ihr das Tandem fährt. Wir waren damit einverstanden und sie entschloss sich zur Weiterfahrt.
Sonntag, 26.07.
Wir sind heute 27 Radfahrer und wollen auf dieser Etappe Polen erreichen. In Eberswalde verunglückt das Tandem mit Sabine erneut. Das Tandem wollte auf einen Radweg auffahren und rutschte an einem niederen Bordstein ab. Das Fahrzeug stellte sich quer und Sabine prallte mit ihrem Oberkörper und verletzten Arm gegen einen Lichtmast. Sie musste wieder ins Krankenhaus. Beim Röntgen wurde festgestellt, dass die eingesetzten Schrauben ausgerissen waren. Das war für Sabine das endgültige Aus für die Tour.
Kurz vor der Grenze werden wir von vier polnischen Fahrradfreunden erwartet und über die polnische Grenze nach Moryn geleitet. Auf dem dortigen Marktplatz werden wir von den Ortsbewohnern und dem Bürgermeister begeistert und sehr herzlich empfangen.
Unsere weitere Fahrt durch Polen fasse ich bis Warschau kurz zusammen. Die täglichen Strecken sind lang und schwer zu befahren. Wir durchfahren zwar herrliche polnische Wälder, schöne Landschaften und alte Bauerndörfer, aber teilweise auf tiefsandigen Feldwegen und sehr schlechten Straßen. So brauchten wir z.B. für 10 km sandigem Waldweg mit Schieben 2,5 Stunden. An diesem Tag fuhren wir aber insgesamt 146 km. Drei Frauen gaben im Laufe des Tages erschöpft auf und mussten vom Begleitfahrzeug abgeholt werden. An diesem Tag treffen wir erst nach 23.00 Uhr auf dem Campingplatz ein. Nach dem Entladen unseres Gepäckanhängers begann der Zeltaufbau erst kurz vor 24.00 Uhr. Dabei plagten uns unzählige Stechmücken.
Die täglichen Strecken durch Polen lagen zwischen 100 und 150 km und wir kamen meist erst nachts in unseren Quartieren an. Die Verhältnisse an den Campingplätzen waren meist verheerend. Oftmals war es nur eine Wiese im Wald mit einem Wasserhahn oder nicht mal das. Dann war zum Waschen Baden im See angesagt, wenn vorhanden. Als Toilette diente ein Loch im Boden, um das ein paar Bretter genagelt waren.
Mittwoch, 29.07.
Hinter Posen erreichten wir die 2000 km-Marke.
Freitag, 31.07.
In Warschau trafen wir gegen 21.20 Uhr ein. In einem Außenbezirk stürzte unsere junge polnische Streckenorganisatorin wegen eines der vielen Schlaglöcher auf Polens Nebenstraßen schwer und musste mit einigen Hautabschürfungen für diesen Tag abbrechen. In Warschau wurde an diesem Tag der 65. Jahrestag des Warschauer Aufstandes gefeiert.
Samstag, 01.08.
An dem Denkmal dieses Aufstandes legten wir eine eine Friedensfahne mit Blumen zu Ehren der Toten des Aufstandes nieder. Zu dem Zeitpunkt bestand unsere Fahrradgruppe aus 24 Personen, wovon 10 Radfahrer in Paris gestartet waren und sieben die gesamte Strecke von Paris zurückgelegt hatten.
Mittwoch, 05.08.
Wir überschreiten nachmittags die Grenze zu Litauen. Bei der Anfahrt nach Vilnius, der Hauptstadt von Litauen, haben wir kurz von der Hauptstadt 3000 km zurückgelegt. Ungefähr drei Viertel der Strecke sind damit geschafft. In Vilnius legen wir einen Ruhetag ein, der uns eine eingehende Stadtbesichtigung ermöglicht.
Samstag, 08.08.
Wir erreichen die Grenze zu Weißrussland. Unmittelbar am Grenzübergang werden wir bereits von Grenzsoldaten, Milizionären, einer Trachtengruppe, mehreren Fernsehteams und Funktionären erwartet. Es folgte eine sehr herzliche Begrüßung mit Musik, Tanz und Volksliedern.
Der Grenzübergang ist für den gesamten Verkehr gesperrt. Wir tanzen auf der Straße nach der Musik der weißrussischen Musikanten mit den Frauen in festlicher Tracht. Zum Empfang wird traditionell Brot und Salz gereicht. Der Staat Belarus hat uns als Gäste eingeladen und als solche werden wir auch behandelt. Unsere Pässe werden eingesammelt und wir erhalten sie mit einem Formblatt, in dem unsere Einreise vermerkt ist, zurück. Nach einiger Zeit setzen wir unsere Fahrt unter Begleitung eines Miliz-Fahrzeuges an der Spitze und einem Rettungswagen und zusätzlich einem Krankentransportwagen am Ende fort. Wir sind ca. 30 Radfahrer.
Mittwoch, 19.08.
Ruhetag. Wir befinden uns in Smolensk und haben etwa 3.800 km zurückgelegt.
Über den nächsten Abschnitt werde ich baldmöglichst berichten.
Günter Peter